SCHWEISSEN & SCHNEIDEN

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SCHWEISSEN & SCHNEIDEN
Frau schweißt am Abend

Frauen im Handwerk: Zwei Schweisserinnen im Portrait

Zwei Frauen, zwei Geschichten, eine Leidenschaft:

Cinnamon und Tatjana brennen für das Schweißen. Dabei sind Frauen in der Schweißtechnik noch immer eine Seltenheit, machen sie doch lediglich rund 5 Prozent aller Schweißfachkräfte aus. Umso spannender ist ihre Sicht auf dieses Thema. Warum sich Cinnamon und Tatjana für dieses Berufsfeld entschieden haben, was sie am Schweißen fasziniert und warum sie ein Ass im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein können, erfahren Sie in diesem Artikel.

"Cinn" - Schweißerin

Cinnamon: Alles begann mit einem Hufeisen

„Cinn“ – wie sie meist genannt wird – wuchs auf einer idyllischen Pferdefarm auf und führte ein zurückgezogenes Leben inmitten der Natur. Ihre Pferde waren es auch, die ihre Liebe zum Schweißen entfachten. Aus herumliegenden Hufeisen schweißte Cinn ihre ersten Projekte, beispielsweise kleine Schneemänner in der Weihnachtszeit. Diese Arbeiten realisierte sie im Rahmen eines praxisorientierten Landwirtschaftskurses, in dem sie zusätzlich zum Schweißhandwerk auch andere Berufe kennenlernte.

„Ich brachte einfach meine Hufeisen mit und fertigte meine eigenen Kunstwerke. Wir hatten nur ein sehr veraltetes Schweißgerät zur Verfügung und man konnte damit auch nur Elektrodenschweißen – nicht das beste Verfahren für meine kleinen Kunstprojekte. Aber es hat funktioniert und mir auf Anhieb große Freude bereitet“, erinnert sich Cinn und blickt zurück: „Die Entscheidung, schweißen zu lernen, war goldrichtig. Ich habe von Anfang an für dieses Handwerk gebrannt. Es ist einfach meine Leidenschaft.“

Ihr Weg zur Anwendungstechnikerin

Cinn intensivierte ihr Schweißknowhow in einer Berufsschule. Die Punkte, die sie dort erhielt, wurden ihr für die Highschool angerechnet. Andere Schülerinnen und Schüler belegten Mathematik- oder Naturwissenschaftskurse, Cinn entschied sich für den praktischen Weg. Ihr Wissen setzte sie in einem örtlichen Schweißbetrieb in die Praxis um, wo sie neben der Schule Teilzeit arbeitete.

Nach ihrem Highschool-Abschluss absolvierte sie das Bachelorstudium „Welding & Fabrication Engineering Technology“ am Pennsylvania College of Technology. Kurz darauf startete sie ihren derzeitigen Job bei Fronius USA in Brighton. Dort besteht ihr Arbeitsalltag aktuell hauptsächlich aus technischem Support. Sie hilft Kundinnen und Kunden dabei, Probleme zu lösen, mit denen sie bei ihren Schweißaufgaben konfrontiert werden. Beispielsweise unterstützt sie sie dabei, die idealen Schweißparameter zu finden, wenn jemand zum ersten Mal mit einem zuvor noch nie verwendeten Material schweißen möchte.

 

Daneben schweißt Cinn für den guten Zweck und arbeitet für die Hilfsorganisation Rescue Rebuild – eine Einrichtung, die mithilfe von Freiweilligen Obdachlosenheime sowie Gehege für Tiere baut und renoviert. Letztes Jahr unterstützte sie die Organisation beim Bau von Waschbärgehegen, die aus Metall gefertigt wurden. „Ich kann mit meinem handwerklichen Knowhow anderen helfen und der Gemeinschaft etwas zurückgeben. Ich liebe, was ich mache, und ich kann damit etwas bewirken – das ist ein großartiges Gefühl“, erklärt Cinn.

Tatjana - Schweißerin

Tatjana: Raus aus dem Blazer, rein in die Werkstatt

Im Gegensatz zu Cinn war Tatjanas Weg zum Schweißen nicht geradlinig. Ganz im Gegenteil: Erst der Umweg über einen völlig anderen Bereich ließ Tatjana erkennen, was sie beruflich machen möchte. Mit Anfang 20 und rund drei Jahren Arbeitserfahrung als Bürokauffrau im Gepäck kam der Punkt, an dem sie spürte: „Das ist es nicht. Das ist nicht das, was ich machen möchte. Ich suche mir etwas Neues.“

Gesagt, getan. Tatjana ließ ihre Bürozeit hinter sich und begann eine Lehre als Maschinenbautechnikerin. Diese konnte sie im Eiltempo durchziehen – in 1,5 statt den üblichen 3 Jahren – da sie zuvor schon eine Lehre abgeschlossen hatte und ihr diese Zeit angerechnet wurde.

Handwerkerin von Kindesbeinen an

Tatjana schweißt

Denkt sie an ihre Kindheit zurück, verwundert es Tatjana selbst, dass sie nicht früher einen Handwerksberuf ergriff – half sie doch als Kind bereits bei allen handwerklichen Tätigkeiten mit. „Ich wurde früher schon überall mithingenommen und fand es spannend zu sehen, was man aus verschiedensten Materialen selbst herstellen konnte“, so Tatjana. Am Schweißen habe sie immer schon fasziniert, dass man am Ende des Tage Ergebnisse sehen würde: „Es entsteht etwas, egal ob ein Geländer oder ein Kunstwerk. Du verbindest Metalle und kreierst etwas Neues, das ist einfach beeindruckend.“


Ihren Umweg erklärt sie mit dem Wunsch nach einer „soliden“ und breitgefächerten Ausbildung als Jugendliche, die sie in der Tätigkeit als Bürokauffrau sah. Heute ist sie anderer Meinung und möchte allen Frauen mit auf den Weg geben, auf ihr Bauchgefühl zu hören und ihren Talenten zu vertrauen. Im Sinne von „Probieren geht über Studieren“ rät sie ihnen, handwerkliche Tätigkeiten einfach mal auszuprobieren. Man würde – gerade beim Schweißen – sehr schnell merken, ob man das nötige Geschick dafür mitbringe.

Kunstwerk Rose

Die Komfortzone verlassen

Bis heute ist Tatjana froh über ihren Mut, einen komplett neuen Berufsweg eingeschlagen zu haben. Ihre Lehre zur Maschinenbautechnikerin schloss sie vor Kurzem ab und arbeitet mittlerweile als Instandhaltungstechnikerin in einem weltweit führenden Unternehmen für Kunst- und Schaumstofflösungen. Daneben schweißt sie Kunstwerke, zum Beispiel Blumen, Sterne oder andere Objekte. Sie kann sich durchaus vorstellen, ihre Werke zu verkaufen, zum Beispiel über Social Media. „Was die Zukunft bringt, weiß man nie“, so Tatjana, und ergänzt: „Die Komfortzone ist ein schöner Ort, aber du wächst dort nicht. Manchmal braucht es einen Schritt heraus, um seinen Traumjob zu finden.“

Schweißen und Geschlechterstereotype

Cinnamons und Tatjanas Wege zeigen:

Die Entscheidung für einen Beruf hängt nicht an typischen Geschlechterrollen, sondern an der Leidenschaft für eine Tätigkeit. Das, wofür sie wirklich brennen, hat beide am Ende zu ihren heutigen Berufen geführt. Dabei sind Klischees über Frauen in handwerklichen Berufen nicht an ihnen vorbeigegangen. Sowohl Cinn als auch Tatjana hatten in ihrer Ausbildung und im Beruf das Gefühl, sich erst „beweisen“ zu müssen, um vollständig als Frau akzeptiert zu werden. In der Tat können sich vorgefertigte Denkmuster hartnäckig halten – gerade in männlichen Domänen wie dem Handwerk.

Warum im Schweißbereich die Anzahl der weiblichen Fachkräfte so niedrig ist, lässt sich anhand des Berufs und dessen Anforderungen jedenfalls nicht festmachen. Für das Schweißen sind unter anderem Geduld und Geschicklichkeit gefordert. Gerade bei Letzterem schneiden Frauen laut einer Studie der Universität München sogar besser ab als ihre männlichen Kollegen. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Handgeschicklichkeit bei Frauen um etwa 10 Prozent und die Fingerfertigkeit um etwa 6 Prozent höher liegen würden als bei Männern.

Beispiele wie Cinnamon und Tatjana sind Beweise dafür, dass sich Geschlechterstereotype zwar nicht von heute auf morgen wegzaubern lassen, aber dass sich diesbezüglich etwas tut und sie kein Hindernis mehr sind, den Beruf zu ergreifen, für den man brennt.

Frauen als Ass im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Dass der stetige Abbau von Klischees und eingefahrenen Mustern dem aktuell grassierenden Fachkräftemangel entgegenwirken, erklärt sich von selbst. Gewinnt man mehr Frauen für die Schweißtechnik, erhöht sich im gleichen Atemzug die Anzahl der Fachkräfte. Bereits bei der Berufsorientierung in den Schulen könnte hier angesetzt werden, um mehr Mädchen für handwerkliche Berufe zu begeistern. Auch Projekte wie „Frauen im Handwerk: Fit für Führung und Digitalisierung“ oder Initiativen wie „FiT – Frauen in Handwerk und Technik“ sowie Organisationen wie „Women Who Weld“ können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Frauen den häufig von der Gesellschaft vorgegebenen Rahmen verlassen und überhaupt erst die Möglichkeiten sehen, die sie im Bereich des Handwerks oder anderer Berufsfelder haben und erkennen, wo ihre Stärken liegen.

» Ich glaube, dass wir heutzutage endlich verstanden haben, dass es im Prinzip egal ist, ob ein Beruf typischerweise von Frauen oder Männern ausgeübt wird. Wirklich wichtig ist doch nur, dass jeder und jede das macht, was er oder sie wirklich möchte. Darum geht’s. «

Schweißerin Cinn
Cinn, Schweißerin